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15.01.2009 , 14:30 Uhr
Konjunktur
Leitzins im Euro-Raum auf Sechs-Jahres-Tief
Im Kampf gegen die Rezession in vielen Ländern des Euro-Raums hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erneut deutlich gesenkt. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld verringert sich um 0,5 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent. Der deutsche Aktienmarkt weitete nach der Entscheidung seine Verluste aus.
Mit der erneuten Zinssenkung reagiert die EZB auf die sich verschärfende Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa. Foto: dpa
HB FRANKFURT/MAIN. Das teilte die EZB nach ihrer Ratssitzung am Donnerstag in Frankfurt mit. Mit der erneuten Senkung liegt der Zinssatz so niedrig wie seit fünfeinhalb Jahren nicht mehr. Nach der weiteren Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten erwarteten fast alle Analysten einen weiteren Schritt, erklärten Experten der BayernLB und der Commerzbank. Beide Banken rechnen bis zum Frühjahr sogar mit einen Leitzins im Euroraum von nur noch 1 Prozent.
Der deutsche Aktienmarkt Dax weitetete nach der EZB-Zinssenkung seine Verluste aus. „Die Zinssenkung ist natürlich positiv, aber der Markt hatte sich eine stärkere Lockerung der Geldpolitik erhofft“, sagte ein Händler.
Mit der erneuten Zinssenkung reagiert die EZB auf die sich verschärfende Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa. Im Dezember hatte die Notenbank den Leitzins um 75 Basispunkte gesenkt. Das war der größte Zinsschritt in ihrer zehnjährigen Geschichte. Bereits im Oktober und November hatte die EZB den Zins um je 0,5 Punkte nach unten genommen.
Angesichts des scharfen Abschwungs in den Euro-Ländern schließen Experten eine Senkung des EZB-Leitzinses auf null Prozent nicht mehr aus. „Die Industrie befindet sich im freien Fall“, sagte Ben May, Volkswirt von Capital Economics, nach der EZB-Entscheidung. „Wir erwarten deshalb, dass der Leitzins auf Null oder zumindest nahe Null sinkt.“
Kritik an der EZB-Politik kam vom Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB). „Die schlechten Wachstumsaussichten für das laufende Jahr hätten eine noch deutlichere Leitzinssenkung gerechtfertigt“, hieß es. Die EZB-Zinspolitik sei im Vergleich zur Fed „viel defensiver ausgerichtet“. Der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) erwartet weitere Zinssenkungen. Der außerordentlich scharfe konjunkturelle Abschwung erfordere dies, hieß es zur Begründung. Den nötigen Spielraum dafür schaffe die niedrige Teuerung. Im Dezember kletterten die Verbraucherpreise nur noch um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Damit herrscht nach Definition der EZB erstmals seit August 2007 Preisstabilität. Diese sieht sie mittelfristig nur bei Raten von knapp unter zwei Prozent gewährleistet.
In den USA und in Japan liegen die Leitzinsen derzeit praktisch bei null. In Großbritannien senkte die Bank von England den Leitzins in der vergangenen Woche um 0,5 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent. Das ist der tiefste Stand ihrer 315-jährigen Geschichte.
Niedrige Zinsen verbilligen Kredite für Unternehmen und Verbraucher und können so die Wirtschaft anschieben. Sparguthaben werden allerdings ebenfalls niedriger verzinst. Mit Spannung wurden die Ausführungen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet über den weiteren Kurs der Notenbank auf einer Pressekonferenz am Nachmittag in Frankfurt erwartet. |
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